17.04.2015

Pusterich

Der Mühlengrund Neu-Hohenschönhausen
im Wandel – eine (un)endliche Geschichte?
- Pusterich -



Ein Märchen von Dorothee Groth

Dorothee Groth am Mühlradbrunnen.
Foto: Uwe Seibt

Pusterich - das wasserspeiende "Ungeheuer" am Mühlenradbrunnen im Mühlengrund in Berlin-Hohenschönhausen.

Pusterich
Vor langer Zeit, als die Welt noch jung, doch ohne Farbe war, wanderten die Fabelwesen ziellos durch die Länder. Eines davon war eine gigantische Seeschlange aus glänzendem Metall, die im Wolkenreich über einem Fluss lebte. Manchmal schlängelte sie nach unten ins Wasser und machte Jagd auf Menschen. Nicht, weil sie böse war, sondern weil sie den Fluss und ihr Wolkenreich vor der Gier der Menschen beschützen wollte, denn die Schlange wusste, dass alles, was die Menschen berührten, verdorrte. Das Land um den Fluss herum war kahl, kein einziger Grashalm wollte wachsen bis zu dem Tag an dem ein kleines Kind am Fluss spielte und die Schlange erneut von ihrem Wolkenreich herunterschlängelte um es zu fressen. 
Das Kind hatte keine Angst und spielte munter im Fluss herum, während die Schlange es verwundert anschaute. Auf die Frage, warum das Kind keine Angst hatte, meinte es nur: „Ich weiß, dass du nicht böse bist. Warum sollte ich also Angst vor dir haben?“ - „Weil ich dich fressen werde, wenn du länger hier bleibst und meinen Fluss verschmutzt!“ – „Aber ich tu deinem Fluss doch nichts. Ich spiele mit dem Wasser, weil es zu Hause keines gibt und alle Pflanzen verdorren. Ob du mich nun frisst oder ich verdurste, spielt dabei keine Rolle.“ 
Die Schlange war überrascht, denn sie wusste nicht, dass die Menschen Wasser bräuchten um zu leben. Sie verstand nicht, warum die Menschen dann die Natur ausbeuten, wenn sie doch von ihr abhängig sind. Nun sprach das Kind weiter: „Wenn du uns Wasser gibst, dann kannst du sehen, dass nicht alle Menschen der Natur etwas Böses wollen und ich werde dir etwas sehr wertvolles geben.“ – „Was kannst du mir schon geben, dass ich nicht schon besitze?“ – „Einen Namen hast du noch nicht und ich weiß, dass du gerne einen hättest.“ Die Schlange gab zu, dass sie durchaus bereit wäre, den Menschen noch eine Chance zu geben, wenn sie dafür einen Namen erhalten könnte. 
Sie folgte dem Kind zu seinem Dorf und legte sich auf ein Konstrukt namens ‚Brunnen‘ hin. Das Kind gab ihr den Namen ‚Pusterich‘, weil sie mächtige Windböen und Wassermassen erschaffen konnte. Mit ihrer Kraft trieb sich das sich fortan drehende Rad an und das Wasser sprudelte. 
Die Jahrtausende vergingen und Leben um den Brunnen herum entstand: Gras und Bäume wuchsen wie aus dem Nichts und Blumen blühten überall, doch die Menschen vergaßen Pusterich und ihre Kräfte und so verfiel die Schlange in einen langen Schlaf und der Brunnen schließlich versiegte. Eines Tages, der Sommer neigte sich dem Ende, kamen zwei Hexen des Weges und fanden die schlafende Pusterich im Brunnen. Vorsichtig weckten sie die Schlange und fragten, ob sie ihr helfen könnten. Die Schlange, nun müde und alt, wünschte sich Freunde für die sie den Brunnen wieder sprudeln lassen würde. Sie war es Leid, ganz allein auf dem Konstrukt zu sitzen und die Mühle zu betreiben, obwohl ihr Niemand zu sieht oder ihr Gesellschaft leistet. Mit ihren Zaubernadeln schufen Nadelhexe und Waldfee wunderschöne Seerosen, Frösche und Nixen, die in dem alten Brunnen spielten und der Schlange Freude bereiten. Über Winter will sie ihre Kräfte neu aktivieren und vielleicht schafft sie es, dass im Frühling das Wasser wieder mit voller Kraft das Mühlenrad erneut antreibt. Manche Mühlen mahlen halt langsam.

Das Video zum Märchen.

Dorothee Groth liest am Brunnen das Märchen vor.
Foto: Uwe Seibt


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Dieses Projekt wird mit Mitteln des Bezirkskulturfonds Lichtenberg realisiert.

Bezirkskulturfonds Lichtenberg Berlin

 
   

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